Der Schatz im Mariendom
Auf dem Schrank in der Bischofssakristei des Mariendoms stehen sechs goldene Kelche. Überragt werden sie von einer Monstranz, und nur wer nähertritt, sieht den großen Schlüssel, der auf dem weißen Tuch liegt. Es ist der berühmte Blümelhuber-Schlüssel, gefertigt aus einem einzigen Stück Stahl und so fein gearbeitet, dass sich der Betrachter in den Details verliert. Da ist eine Taube! Da beten zwei knieende Engel!
Sechs Kelche, eine Monstranz, der Blümelhuber-Schlüssel und die Marienkrone auf einem Schrank in der Bischofssakristei des Mariendoms. |
Inmitten dieser wertvollen Artefakte – das kostbarsten Stück: die Marienkrone. Jetzt streift Dominik Juchum ein Paar weiße Handschuhe über und greift vorsichtig nach der Krone. Schon vor Tagen hat er in der Bischofssakristei ein sechsseitiges weißes Zelt aufgebaut. Es misst dreieinhalb Meter in der Diagonalen und ist zweieinhalb Meter hoch. In der Sakristei hat es höchstens 15 Grad, ohne die beiden Heizstrahler wäre es noch deutlich kälter. Dominik Juchum trägt Filzpantoffeln, erstens, weil sie wärmen, und zweitens, um zu verhindern, dass das strahlende Weiß des Zelts unter winterlichem Matsch leidet. Denn in dem Zelt werden die Kunstwerke fotografiert und gescannt – mindestens 140 sind geplant, gemeinsam bilden sie den Schatz des oberösterreichischen Wahrzeichens, des Mariendoms.
Dominik Juchum erfasst mit Liebe zum Detail jede Facette der Kunstwerke. |
Viele der wertvollen Stücke waren seit Jahrzehnten nicht mehr zu sehen. Sie lagern in drei Tresoren (wo, müssen wir aus Sicherheitsgründen geheim halten), mit den Scans sollen sie uns allen zugänglich gemacht werden. Dank hoher Auflösung dürfen wir ihre digitalen Abbilder in Zukunft nach Herzenslust drehen, wenden und vergrößern, sodass wir Details erkennen, die sonst kaum ins Auge fallen.
Perfektes Abbild
Dominik Juchum trägt die Krone in das Zelt. Dort ist alles vorbereitet, um sie zu fotografieren. Ein komplexes Vorhaben – den Detailreichtum perfekt abzubilden ist eine Herausforderung: Der Kronreif aus Gold wird von zwei Leisten mit gedrehten Bändern eingefasst und ist mit Steinen besetzt, die als Halter von perlendurchzogenen Kettchen dienen. Emaillierte Buchstaben bilden die Inschrift: „Leo XIII. Pont. Max. Dono. Dedit.“ (lat. für: „Papst Leo XIII. machte dieses Geschenk“). Der Reif wird von zwölf Zacken überragt, die wechselnd von einer bzw. drei Blüten geschmückt werden. Sie tragen einen weiteren Reif mit zwölf Sternen, die mit einer Perlenschnur verbunden sind.
Die Krone wurde um 1900 nach einem Entwurf von Franz Statz in Schwaz in Tirol gefertigt. Über die Krönungsfeier der Immaculata (lat. für „die Unbefleckte“) am 1. Mai 1905 schrieben Zeitgenossen: „Im Dom, dessen bis jetzt fertige Teile die Herrlichkeit der künftigen Vollendung andeuten, waren mit großem Aufwand die Vorbereitungen für die seltene Feier getroffen worden ... die ein goldenes Blatt in der Geschichte der Stadt Linz bleiben wird.“
Die Marienkrone: Das filigrane Kunstwerk wurde um 1900 in Tirol gefertigt. |
Heute trägt die Marienstatue eine Kopie, die sich deutlich vom Original unterscheidet. Die echte Krone ruht mittlerweile im Zelt. Die Kamera ist positioniert, Dominik Juchum steuert sie per App. ,„Ich mache bis zu neunzig Bilder, um sie rundum zu erfassen. Jedes einzelne Foto wird nachbearbeitet.“ Noch aufwendiger sind die 3D-Scans, die es möglich machen, die Krone zu drehen, zu wenden, zu vergrößern: „Hier reden wir von mehreren hundert Fotos, die miteinander kombiniert werden müssen.“
Nach wenigen Minuten sind die Bilder gemacht. Die Marienkrone verschwindet wieder hinter den dicken Türen des Tresors. Wir freuen uns darauf, sie bald in allen Details digital bewundern zu dürfen – und mit ihr den Schatz im Mariendom. ♦
Dieser Artikel ist erstmals in der Frühjahrsausgabe 2024 von "Grüß Gott! – Magazin über Gott und die Welt" erschienen. Alle bisherigen Ausgaben:
GrüßGott - Das Magazin der Katholischen Kirche in Oberösterreich (dioezese-linz.at)