"Zuerst muss man wirklich Mensch sein"
Bischof Maximilian Aichern war über 20 Jahre lang Bischof der Diözese Linz. Zu seinem 90. Geburtstag am 26. Dezember 2022 spricht er über die Freude am Menschsein, über Gelassenheit und die Menschenwürde, die wir im Streben nach Gewinn und Konsum nicht aus den Augen verlieren dürfen.
Der gelernte Fleischhauer Maximilian Aichern, geboren am 26. Dezember 1932, wurde 1982 zum Bischof von Linz geweiht, 2005 übergab er das Amt an seinen Nachfolger.
Bischof Maximilian, Sie haben den Menschen oft mitgegeben: „Lasst euch die Freude am Menschsein und am Christsein nie durch etwas nehmen.“ Sie strahlen auch selbst diese Freude aus. Wie haben Sie sich die Freude am Menschsein und am Christsein erhalten? Wo haben Sie Kraft und Freude getankt?
Bischof em. Aichern: „Lasst euch die Freude am Menschsein und am Christsein nicht nehmen“ war ein Ausspruch von Papst Johannes Paul II., den er bei einem Pastoralbesuch in Salzburg gemacht hat. Und ich habe ihn dann auch öfter bei Predigten gesagt. Da haben manche gemeint, warum ich als Bischof nicht das Christsein an die Spitze setze. Aber als Erstes ist man ja ein Mensch – dann kann man alles andere sein und werden. Deswegen ist es wichtig, Freude am Leben zu haben, auch Gelassenheit zu haben – vor lauter Aufregung kommt man nicht immer über alle Sachen gut drüber, aber mit Gelassenheit.
Zuerst muss man wirklich Mensch sein, und dann kann man alles Weitere sein. Und das kann man ja immer besser und immer mehr werden.
Das Christsein äußert sich natürlich sehr vielfältig. Es gibt das gemeinschaftliche Gebet, es gibt den gemeinschaftlichen Gottesdienst, es gibt die gemeinschaftlichen sozialen Taten in Gruppen, Bewegungen, mit Sozialpartnern, Parteien usw. Und die Leute freuen sich so verschieden: der eine an den schönen Kirchen, der andere an der Gemeinschaft, die es gibt, der Dritte nimmt etwas von den christlichen Diskussionen mit für sein Lebenswerk. Jeder findet dann etwas Positives im Menschsein und im Christsein. Aber man muss im Dialog bleiben, davon bin ich überzeugt.
Das Interview erschien im Dezember 2022 in der KirchenZeitung Diözese Linz.