„Hauptthema ist die Versöhnung“
„In unserer Arbeit steht das ,Heilwerden‘ von Körper, Geist und Seele im Fokus. Dafür braucht es Vertrauen“, erzählt Gabriele Dietrich. Sie ist seit zwölf Jahren als Klinische Seelsorgerin am Klinikum Schärding tätig. „Frau Dietrich“ nennt sie hier kaum jemand, für die PatientInnen und MitarbeiterInnen des Spitals ist sie „die Gabi“. Jene, die sie noch nicht kennen, fragen ungläubig: „Was, Sie sind der Seelsorger?“ Darüber muss sie herzlich lachen. Es scheint ihr Freude zu machen, alte klerikale Vorstellungen aufzubrechen und im Klinikum die Kirche auf ihre Weise zu repräsentieren. „Wir betreuen einige, die mit der Kirche in Konflikt sind“, sagt Gabriele Dietrich. Sie begegnet dieser Skepsis mit viel Offenheit und Humor. Als Seelsorgerin in einem Spital mit vielen Abteilungen, wie Geburtenstation, Psychiatrie, Akutgeriatrie oder Palliativbegleitung, ist sie für PatientInnen unterschiedlicher Konfessionen sowie Angehörige und auch für MitarbeiterInnen da. Der Humor ist ihr Werkzeug, das sie bewusst einsetzt. So schaff t sie es auch, bei ängstlichen oder skeptischen PatientInnen das Eis zu brechen. „Dann erzählen die PatientInnen auch von Ängsten und Sorgen. Nur wenn der ganze Mensch im Fokus steht, kann er durch die Theologie unterstützt werden.“
Auf dem letzten Weg
„Hauptthema ist Versöhnung, wenn es darum geht, heil zu werden“, erklärt Gabriele Dietrich und fügt hinzu: „Wenn jemand noch die Chance und die Zeit hat, etwas zu verändern, helfe ich dabei. Jede Versöhnung wirkt sich positiv auf den Körper aus und man merkt, wie sich so manche Anspannung löst.“ Bei Menschen, die im Sterben liegen, reichen oft das Dasein und das einfache Gebet. Ein Mensch müsse sterben dürfen, wie er gelebt hat. „Ich habe kein Recht, über das Leben von jemandem zu richten.“ Am Ende des Lebens werde manchen bewusst, dass sie Zeit vergeudet, zu viel gearbeitet und zu wenig gelebt hätten, berichtet Dietrich: „Eine alte Dame meinte einmal: ‚Ich habe viel zu wenig getanzt in meinem Leben.‘“
„Wenn jemand noch die Chance und die Zeit hat, etwas zu verändern, helfe ich dabei. “
Gabriele Dietrich, Krankenhausseelsorgerin am Klinikum Schärding
Gabriele Dietrich begleitet Menschen als Krankenhausseelsorgerin. © Robert Maybach |
Von der Familienhilfe zur Seelsorge
Gabriele Dietrichs Weg zur Seelsorge verlief nicht geradlinig. Nach einiger Zeit als Familienhelferin absolvierte sie das Seminar für kirchliche Berufe, das sie als Pastoralassistentin abschloss. Später war sie als Jugendleiterin und Religionslehrerin beschäftigt. In diese Zeit fällt auch ein schwerer Einschnitt in Dietrichs Biografie: Ihre erste Tochter ist kurz nach der Geburt gestorben. „Das Thema Totgeburt ist mir seitdem ein besonderes Anliegen“, erklärt Dietrich. Sie hält Begräbnisse für früh- und totgeborene Kinder und begleitet trauernde Eltern oft jahrelang. Ihre Berufung fasst die Seelsorgerin so zusammen: „Für mich ist das Geschenk des Lebens in Fülle die Zusage Gottes an mich, und diese Fülle an Emotionen, Empathie und Fähigkeiten will ich anderen Menschen durch meine Arbeit schenken.“
Zum Beruf
In Oberösterreich arbeiten derzeit 61 hauptamtliche KrankenhausseelsorgerInnen (Priester, Ordensfrauen, PastoralassistentInnen). Sie kooperieren in ökumenischer Zusammenarbeit. Die haupt amtlichen SeelsorgerInnen werden von 75 ehrenamtlichen MitarbeiterInnen unterstützt. Von den 21 Krankenhäusern Oberösterreichs sind 9 in kirchlicher Trägerschaft.
Die Berufsgemeinschaft der KrankenhausseelsorgerInnen feiert 2020 ihr 25-jähriges Bestehen.