„Ich sehe, was der Glaube möglich macht!”
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Philipp Carl Riedl
Herr Bischof, haben Sie selbst eigentlich Fußball gespielt?
Scheuer: Ich bin in der kleinen Gemeinde Haibach ob der Donau aufgewachsen. Als ich ein Kind war, gab es bei uns noch keinen Fußballplatz. Aber ich habe mit meinem Bruder und den Nachbarskindern gern auf einer Wiese gekickt, als Tore haben wir Holzstaberl in den Boden gesteckt. Später im Internat im Petrinum haben wir fast jeden Tag Fußball, aber noch mehr Tischtennis und Faustball gespielt. Und wirklich ehrgeizig war ich beim Klettern.
Auf der Tribüne des Stadions auf der Gugl in Linz ist die EM 2024 natürlich ein Thema unter Fußballfans. Robert Žulj: „Ich traue Österreich viel zu.” © Philipp Carl Riedl
Aber Sie sind ein Fan des LASK?
Scheuer: In meiner Kindheit war der LASK der einzige oberösterreichische Verein in der damaligen Staatsliga. Als ich in Linz im Internat war, sind wir öfter ins Stadion gegangen; die Stehplatzkarte hat fünf Schilling gekostet. Und ich erinnere mich gut, wie der LASK 1965 Meister und Cupsieger geworden ist. Ich war erst zehn Jahre alt, aber ich habe die Matchberichte mit Begeisterung gelesen. Es waren ja die ersten und bis heute leider letzten Titel des LASK ...
Žulj: ... ja, dagegen sollten wir etwas tun.
Scheuer: Ich schaue mir, wenn es meine Zeit erlaubt, gern Spiele an. Was mir dabei auffällt: Fußballer dürfen sich noch ausdrücklich zu ihrem Glauben bekennen ...
Žulj: Ich bete vor und nach jedem Spiel. Und ich bekreuzige mich, bevor ich das Spielfeld betrete und wenn ich ein Tor geschossen habe. Ich weiß, dass ich dabei von vielen Menschen beobachtet werde, und vielleicht kann ich damit ein Vorbild für Kinder sein. Aber eigentlich ist es eine persönliche Angelegenheit.
Scheuer: Als Gesellschaft leben wir davon, dass es positive Vorbilder gibt, zu denen Kinder und Jugendliche aufschauen können. Menschen, die zeigen: Es ist faszinierend, etwas aus seinem Leben zu machen – und dabei auf seinen Glauben zu vertrauen.
Robert Žulj trägt sein Credo auf der rechten Wade: „Lieber Gott, ich weiß nicht, was auf mich wartet. Aber ich weiß, dass du dich darum kümmern wirst.“ © Philipp Carl Riedl
Herr Žulj, Sie haben Ihren Glaubensgrundsatz sogar in einem Tattoo manifestiert?
Žulj: Ja, genau wie mein Bruder Peter, der auch Fußballprofi geworden ist. Er trägt das Tattoo auf seiner linken Wade, ich auf meiner rechten, denn das ist jeweils unser stärkerer Fuß. Es ist ein Spruch auf Kroatisch, den wir von unserer Mutter auf den Weg mitbekommen haben. Ins Deutsche übersetzt heißt er: ,,Lieber Gott, ich weiß nicht, was auf mich wartet. Aber ich weiß, dass du dich darum kümmern wirst."
Scheuer: Der Glaube ist in Ihrer Familie stark verankert?
Žulj: Meine Wurzeln liegen im kroatischen Teil Bosniens, das Beten habe ich von meiner Oma gelernt. Meine Eltern sind während des Jugoslawien-Kriegs nach Wels geflüchtet, wo ich zur Welt gekommen bin. Sie haben mir und meinen beiden Brüdern den Glauben so vorgelebt, wie sie ihn schon von ihren Eltern vorgelebt bekommen hatten. Es gibt für uns in der Familie nichts Wichtigeres als den Glauben – und zwar nicht nur, wenn es uns schlecht geht, sondern besonders, wenn es uns gut geht. „Danke“ ist ein großes Wort für uns.
Scheuer: Der Glaube ist in Ihrer Familie stark verankert?
Žulj: Meine Wurzeln liegen im kroatischen Teil Bosniens, das Beten habe ich von meiner Oma gelernt. Meine Eltern sind während des Jugoslawien-Kriegs nach Wels geflüchtet, wo ich zur Welt gekommen bin. Sie haben mir und meinen beiden Brüdern den Glauben so vorgelebt, wie sie ihn schon von ihren Eltern vorgelebt bekommen hatten. Es gibt für uns in der Familie nichts Wichtigeres als den Glauben – und zwar nicht nur, wenn es uns schlecht geht, sondern besonders, wenn es uns gut geht. „Danke“ ist ein großes Wort für uns.
Auf dem Rasen der Raiffeisen-Arena in Linz. © Philipp Carl Riedl
2017 ist mit einem Transfer in die deutsche Bundesliga Ihr sportlicher Wunsch in Erfüllung gegangen. Doch Sie mussten sofort einen gesundheitlichen Rückschlag einstecken. Haben Sie an Gottes Plan gezweifelt?
Žulj: Ich habe mir in der Saisonvorbereitung in Hoffenheim eine Schambeinentzündung zugezogen und musste ein halbes Jahr pausieren. Natürlich habe ich mich gefragt: Warum passiert das mir, und warum passiert es ausgerechnet jetzt? Ich habe aber nicht an Gott oder meinem Glauben gezweifelt und mittlerweile akzeptiert, dass es einfach so sein musste. Man kann nicht erwarten, dass alle Wünsche in Erfüllung gehen.
Žulj: Ich habe mir in der Saisonvorbereitung in Hoffenheim eine Schambeinentzündung zugezogen und musste ein halbes Jahr pausieren. Natürlich habe ich mich gefragt: Warum passiert das mir, und warum passiert es ausgerechnet jetzt? Ich habe aber nicht an Gott oder meinem Glauben gezweifelt und mittlerweile akzeptiert, dass es einfach so sein musste. Man kann nicht erwarten, dass alle Wünsche in Erfüllung gehen.
Scheuer: Der Glaube an sich ist immer ein Suchen, ein Vertrauen, ein Hoffen. Er hilft mir, mit innerer Kraft und Freude zu leben.
Um den Hals trägt Robert Žulj einen Rosenkranz aus Holz. „Er stammt aus Medugorje. Dort war ich immer, wenn ich meine Oma in Bosnien besucht haben.“ © Philipp Carl Riedl
Was kann die Kirche vom Fußball lernen, was der Fußball von der Kirche?
Scheuer: Wir können lernen, dass junge Menschen voller Hingabe an sich arbeiten. Um ein Ziel zu erreichen, übernehmen sie Verantwortung füreinander. Fußball hat viel mit Freude zu tun, mit Spiel. Natürlich ist es manchmal auch ein Kampf ...
Žulj: Aber wenn eine Mannschaft nur kämpft und nicht mehr spielt, dann wird das nichts. (Lacht.) Was ich am Fußballplatz und in der Kirche sehe, ist, wie viel der Glaube möglich macht. Was mich in einer Messe immer beeindruckt, ist die grundsätzliche Überzeugung, mit der ein Pfarrer seine Arbeit verrichtet. Mit wie viel Disziplin er vorangeht! In einer Fußballmannschaft braucht es auch diese Anführer,
die speziell jungen Spielern ein Vorbild sind. In eine Messe spürst du außerdem dieses Gemeinschaftsgefühl, das für jedes Team wichtig ist. Du kannst nur miteinander erfolgreich sein.
Scheuer: Wir können lernen, dass junge Menschen voller Hingabe an sich arbeiten. Um ein Ziel zu erreichen, übernehmen sie Verantwortung füreinander. Fußball hat viel mit Freude zu tun, mit Spiel. Natürlich ist es manchmal auch ein Kampf ...
Žulj: Aber wenn eine Mannschaft nur kämpft und nicht mehr spielt, dann wird das nichts. (Lacht.) Was ich am Fußballplatz und in der Kirche sehe, ist, wie viel der Glaube möglich macht. Was mich in einer Messe immer beeindruckt, ist die grundsätzliche Überzeugung, mit der ein Pfarrer seine Arbeit verrichtet. Mit wie viel Disziplin er vorangeht! In einer Fußballmannschaft braucht es auch diese Anführer,
die speziell jungen Spielern ein Vorbild sind. In eine Messe spürst du außerdem dieses Gemeinschaftsgefühl, das für jedes Team wichtig ist. Du kannst nur miteinander erfolgreich sein.
Scheuer: Ich erkenne interessante Parallelen zwischen einer Messe und einem Fußballspiel: Beide brauchen ihre Regeln und Rituale. Und bei beiden geht es um Leidenschaft. Und um die Spannung! Die Liturgie ist ein heiliges Spiel. Es geht um Leben, Tod und um die Auferstehung Jesu. Das ist eine riesige Dramatik, aber ebenso eine Freude, eine Befreiung, ein Jubel! Diese Emotionen kann ich beim Fußball ebenfalls erleben.
Žulj: Sowohl im Stadion als auch in der Kirche singen die Menschen miteinander, sie teilen ihre Freude in der Gemeinschaft!
Scheuer: Im Sport kommen verschiedene Sprachen, verschiedene Kulturen zusammen, und es entsteht, über alle Grenzen hinweg, ein Zusammenhalt.
Žulj: Wobei ich aber sagen möchte, dass die Religion in der Kabine oder auf dem Spielfeld unter uns Spielern kein großes Thema ist. Ich spiele mit gläubigen Muslimen genauso gut zusammen wie mit anderen Katholiken, mit Serbisch-Orthodoxen oder Agnostikern.
Scheuer: Aber hilft Ihnen Ihr Glaube persönlich, besser mit dem Leistungsdruck umzugehen, der so oft auf Spitzensportlern lastet?
Žulj: Ich verspüre diesen Druck nicht. Gott hat meine Karriere sicherlich nicht bis ins kleinste Detail geplant, aber er hat meinen Weg bestimmt, und ich weiß, dass er mich führt und lenkt.
Scheuer: Aber hilft Ihnen Ihr Glaube persönlich, besser mit dem Leistungsdruck umzugehen, der so oft auf Spitzensportlern lastet?
Žulj: Ich verspüre diesen Druck nicht. Gott hat meine Karriere sicherlich nicht bis ins kleinste Detail geplant, aber er hat meinen Weg bestimmt, und ich weiß, dass er mich führt und lenkt.
In der LASK-Kapelle. © Philipp Carl Riedl
Schicken Sie in besonders wichtigen Momenten eines Spiels, etwa vor einem Elfmeter, zusätzlich ein Stoßgebet in den Himmel?
Žulj: Nein. Denn das hat nichts mit Glauben zu tun. Stell dir vor, ich bete und dann schieße ich trotzdem kein Tor: Soll ich dann Gott die Schuld geben?
Scheuer: Es gibt ja auch so etwas wie Glück oder Pech bei der Chancenauswertung. Aber Gott ist weder für einen Sieg noch für eine Niederlage verantwortlich. Das erinnert mich übrigens an das berühmte Tor von Diego Maradona für Argentinien gegen England ...
Žulj: Die legendäre „Hand Gottes" bei der Weltmeisterschaft 1986!
Scheuer: Genau! Aus theologischer Sicht muss ich sagen: Das war nicht das Werk Gottes, sondern die Schummelei eines tollkühnen Menschen ... (Lacht.)
Žulj: Nein. Denn das hat nichts mit Glauben zu tun. Stell dir vor, ich bete und dann schieße ich trotzdem kein Tor: Soll ich dann Gott die Schuld geben?
Scheuer: Es gibt ja auch so etwas wie Glück oder Pech bei der Chancenauswertung. Aber Gott ist weder für einen Sieg noch für eine Niederlage verantwortlich. Das erinnert mich übrigens an das berühmte Tor von Diego Maradona für Argentinien gegen England ...
Žulj: Die legendäre „Hand Gottes" bei der Weltmeisterschaft 1986!
Scheuer: Genau! Aus theologischer Sicht muss ich sagen: Das war nicht das Werk Gottes, sondern die Schummelei eines tollkühnen Menschen ... (Lacht.)
ROBERT ŽULJ
Geboren am: 5. Februar 1992 in Wels
Größe/ Schuhgröße: 1,91 Meter/ 45
Familienstand: verheiratet,
ein Sohn Frühere Vereine: SV Ried, FC Red Bull Salzburg, Greuther Fürth (D), TSG Hoffenheim (D), Union Berlin (D), Vfl Bochum (D), Al-lttihad Kalba (VAE) instagram.com/ robertzulj |
MANFRED SCHEUER
Geboren am: 10. August 1955 in Haibach ob der Donau
Position: Bischof der Diözese Linz
Größe/ Schuhgröße: 1,74 Meter/ 43
Werdegang: Matura am Bischöflichen Gymnasium Petrinum Linz, Studium der Theologie in Linz (Philosophisch-Theologische Hochschule), Rom (Päpstliche Universität Gregoriana) und Freiburg (Albert-Ludwig-Universität in Freiburg). Lehrtätigkeit in Linz, Freiburg in Breisgau (D), Salzburg, Sankt Pölten und Trier (D). 1980 zum Priester geweiht. 2003 von Papst Johannes Paul II. zum Bischof der Diözese Innsbruck ernannt, 2015 von Papst Franziskus zum Bischof der Diözese Linz ernannt.
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Dieser Artikel ist erstmals in der Frühjahrsausgabe 2024 von "Grüß Gott! – Magazin über Gott und die Welt" erschienen. Alle bisherigen Ausgaben:
GrüßGott - Das Magazin der Katholischen Kirche in Oberösterreich (dioezese-linz.at)