
Himmlische Rauchzeichen
Es gibt Bräuche, die uralt sind und immer wieder eine Renaissance erleben. Vielleicht, weil sie uns Menschen helfen, mit den Wechselfällen des Lebens besser zurechtzukommen?
Wir machen immer wieder die Erfahrung, dass wir nicht alles im Griff haben, dass unser Leben, unsere Beziehungen, unsere Gesundheit nicht so heil sind, wie wir uns das wünschen. Bräuche und Rituale verdeutlichen unsere Wünsche, Ängste und Hoffnungen. Und kein anderer Sinn spricht diese tief sitzenden Emotionen so an wie unser Geruchssinn. Gerüche können uns auch an Orte der Vergangenheit führen, selbst wenn die Erinnerung daran schon fast verblasst ist. „So roch es bei meiner Oma“, sagen wir dann plötzlich, oder: „Riecht eindeutig nach Schule!“
Vielleicht helfen die alten Bräuche uns Menschen, mit den Wechselfällen des Lebens besser zurechtzukommen?
So geht es mir auch beim Geruch von Weihrauch, der mich in meine Kindheit zurückversetzt. Ein Highlight waren für mich die Maiandachten: inbrünstig gesungene Lieder, die Geschichten von frommen Frauen und Männern, die Monstranz auf dem Altar und der Priester, der das Weihrauchfass in die Hand nimmt …
Wegen seines einzigartigen Dufts war Weihrauch schon immer ein kostbares Harz. In der Weihnachtsgeschichte gehört er zu den Gaben der drei Weisen aus dem Morgenland an das Jesuskind in der Krippe. Auch in der Liturgie hat Weihrauch eine zentrale Bedeutung. Er symbolisiert Reinigung, Verehrung, zu Gott aufsteigende Gebete und Gottes liebevolle Gegenwart, die uns einhüllt wie der Duft des Weihrauchs.
Auch in anderen Religionen gibt es sie, die Räucherstäbchen, -fässer und -schalen. Um Böses zu vertreiben, um der Verehrung Ausdruck zu verleihen, um zur Gesundung beizutragen. Und mittlerweile ist Weihrauch auch außerhalb der Kirche im Trend: Unzählige Weihrauchvarianten werden zum Kauf angeboten, Seminare zum Thema Räuchern sind sehr beliebt.
![]() |
© Pixabay_asundermeier |
Doch nicht alle können sich für Weihrauch begeistern. Manche bringt er zum Husten, andere bekommen davon Kopfschmerzen. Das musste ich erfahren, als ich mit meiner jüngeren Tochter beim Studienbeginn meiner großen Tochter dabei war. Mit Gottesdienst, wie es sich gehört bei einem Theologiestudium. Viele Bitten gab es am Beginn dieses Studienjahres: für die Hungernden, die Traurigen; jene, die neu starten, jene, die Verluste zu beklagen haben … Und bei jeder Fürbitte wurde ein Weihrauchkörnchen in eine Schale gelegt. So durchzogen bald ganze Schwaden an Rauch die kleine Kapelle. Da begann meine Kleine zu husten und äußerte ihren Unmut lautstark: „Das stinkt!“
Das war natürlich peinlich, für mich und für die große Schwester – und das an ihrem ersten Tag! Da erreichte mich der Blick eines mir bekannten Priesters. Ein Schmunzeln mit Blick auf meine Kleine, und er dämpfte mit dem Sand der Schale die Weihrauchkörner und öffnete die Tür.
Mittlerweile hat auch meine Jüngere den Duft von Weihrauch liebgewonnen. Wenn wir drei Frauen nun am Weihnachtsabend und zu Silvester durch die Räume unseres Familienhauses gehen, mit der Rauchpfanne gefüllt mit Rosenweihrauch, dann erfüllt der Geruch jedes Eckchen. Wir bitten um Gesundheit und Wohlergehen für das Haus und alle, die da ein und aus gehen. Inzwischen begleitet uns dabei auch meine kleine Enkelin. Und wer weiß, vielleicht wird auch sie einmal sagen: „Das erinnert mich an meine Kindheit!“, wenn ihr der Duft von Weihrauch in die Nase steigt.
![]() |
Mag. Edeltraud Addy-Papelitzky ist Theologin, Psychotherapeutin und Leiterin des Diözesanen Personalservice. © Diözese Linz
Dieser Beitrag erschien im Magazin "Grüß Gott!" – Das Magazin über Gott und die Welt in der Ausgabe 2 / Frühling 2020. Es wird von der Diözese Linz herausgegeben und erscheint zwei Mal im Jahr.